Basistext Buddhas Lebensgeschichte

Buddhas Lebensgeschichte wird in den verschiedenen buddhistischen Traditionen nicht in allen Einzelheiten einheitlich dargestellt; das hat damit zu tun, dass bestimmte Aspekte seines Lebens als Inspiration dienen und unterschiedlich stark betont werden.

Zur Zeit der Geburt des historischen Buddhas Siddharta Gautama Shakyamuni war Indien eine blühende Hochkultur, geprägt von einer großen geistigen Offenheit. Verschiedenste philosophische Schulen und Sichtweisen blühten gleichzeitig. Die Menschen erwarteten, dass eine Lehre ganzheitlich war und, dass eine Weltanschauung das Leben durchdringen sollte. Die Lehren mussten eine Grundlage haben, klare Methoden besitzen und ein erreichbares Ziel aufweisen. Mit Behauptungen ging man sehr achtsam um: Denn sobald jemand eine Anschauung vertrat, die ein anderer widerlegen konnte, wurde er dessen Schüler – so verlangte es die geistige Ehrlichkeit jener Zeit.

Buddha wurde um 550 v.Chr. als Sohn einer Fürstenfamilie am Südrand des heutigen Nepal nahe der damaligen Stadt Kapilavastu im Lumbini-Hain geboren. Die Freude über die Geburt des Thronfolgers war groß. Die Familie gehörte zum Geschlecht der Shakyas und zur Linie der Gautamas, woher sein Name Siddhartha Gautama Shakyamuni („der Weise aus dem Stamm der Shakyas“) kommt.

Seine Geburt an einem Vollmondtag im Mai war von besonderen Zeichen begleitet und seine Eltern erhielten folgende Prophezeiung: „Wenn der Junge nicht mit den Leiden der Welt in Berührung kommt, wird er ein großer Herrscher werden und all Eure Wünsche erfüllen. Sollte er aber das Leiden der Menschen sehen, wird er alles verlassen und auf der Suche nach dauerhaftem Glück eine ganz neue Dimension in die Welt bringen.“

Die Eltern beschlossen daraufhin, den jungen Prinzen innerhalb des Palastes in einer künstlich abgeschirmten Welt großzuziehen, in der es nur Jugend, Schönheit, Vergnügen und freudvolle Erlebnisse gab. Er genoss eine umfassende Ausbildung in den Wissenschaften, in der Kunst, im Sport und, als Mitglied der Kriegerkaste, auch in der Kampfkunst. In allen Disziplinen glänzte er durch hervorragende Begabung. Er war feinsinnig, mutig und stark zugleich. Bei seinen wenigen Ausflügen in die „normale“ Welt wurde alles so vorbereitet, dass er nur junge, gesunde und glückliche Menschen sah. So wuchs der junge Prinz in seiner Luxuswelt heran, genoss das Leben, heiratete traditionell und bekam einen Sohn, Rahula.

Dies währte bis zu seinem 29. Lebensjahr. Bei heimlichen Ausflügen begegnete er den Schattenseiten des Lebens. An drei aufeinander folgenden Tagen sah er einen schwer kranken Menschen, einen alten und einen toten. Woran man sich sonst ganz allmählich gewöhnt, traf ihn ganz unvorbereitet und erschütterte ihn zutiefst. Er musste plötzlich verstehen, dass weltliche Freuden, Schönheit, Kraft und Jugend bedingt und vergänglich sind. Daraufhin kehrte er in seinen Palast zurück, doch nichts konnte ihn mehr erfreuen. Die Einsicht, dass diese Leiden zum Leben der Wesen dazugehörten, ließ ihm keine Ruhe und er suchte nach einem Ausweg, einem dauerhaften Glück, das keinen Bedingungen unterworfen ist.

Am nächsten Tag machte er eine weitere Erfahrung, die sein Leben prägen sollte. Er sah einen Mann in tiefer Meditation sitzen und als sich ihre Augen begegneten, wusste er plötzlich, dass wirkliche Freiheit und dauerhaftes Glück nur im eigenen Geist zu finden sind. Zu dieser Einsicht vorzudringen schien ihm im Rahmen seines gesellschaftlichen Lebens jedoch unmöglich und er beschloss, sein Prinzendasein zu verlassen. Er schnitt sein langes Haar ab, das Zeichen seiner adligen Abstammung, entschlossen, sein bisheriges Leben zurückzulassen, zog hinaus in die Wälder und studierte bei vielen Lehrern seiner Zeit. Obwohl er schnell lernte und seine Lehrer meistens schon nach kurzer Zeit übertraf, führte ihn keine ihrer Methoden jenseits begrenzter, vergänglicher Erfahrungen. Getragen vom tiefen Wunsch etwas wirklich Befreiendes zu finden, ging er weiter und schloss sich einer Gruppe von fünf Asketen an, die in den Wäldern beim heutigen Bodhgaya lebten. Nachdem er als Prinz alle Freuden des Körpers und der Sinne erfahren hatte, glaubte er jetzt, Sinneseindrücke seien ein Hindernis und ihre Unterdrückung führe zu geistiger Klarheit. So übte er sich in völliger Entsagung und hätte sich dabei fast zu Tode gehungert. Schließlich sah er jedoch ein, dass die Askese nicht nur den Körper, sondern auch seinen Geist schwächte und ihn dem Ziel nicht näherbrachte. Diese Erfahrung war ein weiterer Wendepunkt in seinem Leben – seine Abkehr von den Extremen und er nahm wieder Nahrung zu sich.

Nachdem Siddharta wieder zu Kräften gekommen war, setzte er sich in den Schatten des heute bekannten Bodhibaumes in Bodhgaya und beschloss, hier in Vertiefung zu verweilen, bis er sein Ziel erreichte. Er saß sechs Tage und Nächte in tiefer Meditation. Seine Versenkung war so unerschütterlich, dass weder äußere noch innere Ablenkungen ihn stören konnten. In der Morgendämmerung des siebten Tages, des Vollmonds im Mai, erlangte er im Alter von 35 Jahren die Erleuchtung und wurde zum Buddha, dem Erwachten - erwacht aus dem Traum der Unwissenheit. Alle dem Geist innewohnenden Eigenschaften waren entfaltet. Vollkommene Erleuchtung bedeutet die Erfahrung von Furchtlosigkeit, unendlicher Freude und grenzenlosem Mitgefühl. Aus diesem Mitgefühl heraus handelt man mit Weisheit zum Wohle aller Wesen.

Die Erde „als Zeuge für seine Unerschütterlichkeit“ anrufend, berührte er mit den Fingerspitzen der rechten Hand den Boden. Als Statue wird er oft in dieser Erdberührungsgeste dargestellt.

Noch sieben Wochen verblieb Buddha in Meditation unter dem Bodhibaum, um seinen Körper an die starken Kraftströme innerer Wonne zu gewöhnen.

Im Wald nahe Benares (Varanasi) begegneten ihm seine früheren Gefährten, die fünf Asketen. Sie wurden von seiner freudvollen Ausstrahlung angezogen und verstanden, dass etwas Besonderes mit ihm geschehen war. Neugierig baten sie ihn um Erklärungen, und Buddha lehrte die „Vier Edlen Wahrheiten“ als Grundlage, Weg und Ziel zu Befreiung und Erleuchtung.

Schon in den ersten drei Monaten, während er im Wald von Benares weilte, wuchs die Gemeinschaft seiner Schüler, die Sangha, heran. Unüblich für die Zeit war ihre gemischte Zusammensetzung quer durch alle Schichten des Volkes: Könige, Kaufleute und Bettler gehörten zu den Schülern Buddhas. Das Kastenwesen hatte in der Sangha keine Bedeutung. Auch Buddhas Frau und sein Sohn Rahula wurden Mitglieder der Sangha.

Von nun an zog Buddha 45 Jahre lang lehrend durch Nordindien, meist umgeben von mitreisenden Schülern. Mehrere Orte kristallisierten sich heraus, an denen er sich häufiger aufhielt und besondere Lehren gab. Der Wald von Benares ist vor allem mit den Lektionen des ersten Zyklus verbunden, aus denen historisch die Schulen des Theravada entstanden. Am Geierhügel in Rajgir gab er vor allem die Lehren des Mahayana über Mitgefühl und Weisheit (zweiter Zyklus); in Shravasti (im Königreich Magadha) und Vaishali schließlich den Vajrayana mit den Erklärungen über die direkte Identifikation mit den Qualitäten der Natur des Geistes (dritter Zyklus).

Obwohl Buddha und seine Schüler niemals missionierten, breitete sich die neue Lehre in Nordindien durch ihre natürliche Anziehungskraft aus: „Wo ein See ist, kommen die Schwäne“. Andererseits wurde die neue Bewegung auch angefeindet von religiösen Neidern ebenso wie von solchen, die gesellschaftlichen Umsturz befürchteten. Schließlich akzeptierte der Buddha das Kastenwesen nicht und nahm Frauen als Nonnen in die Ordensgemeinschaft auf. Außerdem entsprach er mit seinen Aussagen zu Ursache und Wirkung (Karma) keineswegs den Normen des Kastenwesens.

Die Regenzeiten verbrachten Buddha und seine Schüler in Zurückgezogenheit mit intensiver Meditationspraxis, während die anderen Zeiten des Jahres für Reisen und Lehrtätigkeit genutzt