Basistext Buddhas Lehre

Dieses Kapitel beschreibt die drei Säulen, auf denen die Lehre Buddhas ruht: Information, Meditation und Absichern.

Dabei geht es um die Ebenen des sinnvollen Verhaltens, auf der man die Befreiung vom Leid erreicht, der Einstellung, sich zum Besten aller Wesen zu entwickeln, und der höchsten Sicht, mit der man sich erleuchtet. Diese am häufigsten verwendete Einteilung in Theravada (Schule der [Ordens-] Älteren), Großer Weg (Mahayana) und Diamantweg (Vajrayana) bezieht sich sowohl auf unterschiedliche Schwerpunkte von Buddhas Lehre als auch auf verschiedene Ebenen der Anwendung. Alle drei Ebenen von Buddhas Lehre sind eigenständige Wege.

Auf die Frage, warum und was Buddha unterrichte, antwortete er: Ich lehre, weil alle Wesen glücklich sein und Leid vermeiden wollen. Ich lehre, wie die Dinge sind.

Buddhas Lehre ist äußerst vielfältig. Sie umfasst insgesamt 84.000 Unterweisungen, die er im Laufe von 45 Jahren gab. Traditionell teilt man die Lehre in drei „Sammlungen“, die „Körbe“ auf, die man aus westlicher Sicht auch wie drei Säulen eines buddhistischen Gebäudes verstehen kann. Jede Säule wird in drei Ebenen unterteilt.

Die erste Säule beinhaltet das notwendige Wissen über den Buddhismus. Hier geht es um all die Themen, die man intellektuell erfassen, studieren und weitergeben kann. Tauchen Fragen auf, bekommt man die entsprechenden Antworten. Einem Buddhisten reicht es jedoch nicht, nur zu wissen.

Deshalb bezieht sich die zweite Säule auf die Umsetzung des Wissens in Erfahrung. Dies geschieht mithilfe eines reichen Schatzes an unterschiedlichen Meditationen, die entsprechende Einsichten und Verwirklichungen hervorbringen. Diese Meditationen werden regelmäßig geübt, damit das Wissen zu einer lebendigen Erfahrung wird.

In der dritten Säule wird die Umsetzung thematisiert. Der Alltag mit all seinen Herausforderungen, Ablenkungen und Tücken zeigt, inwieweit man als Buddhist tatsächlich die Lehre verinnerlicht hat. Buddha lehrte, wie man das Wissen und die Erfahrung aus der Meditation absichert und stabil und dauerhaft macht.

Aus einer anderen Perspektive betrachtet, kann man die Lehre auch in drei Ebenen unterscheiden. Obwohl Buddha niemals selbst diese Unterteilung so lehrte, bildeten sich unterschiedliche Wege oder „Fahrzeuge“ heraus, in denen jeweils andere Zugänge und Methoden im Vordergrund stehen. Es ist wichtig zu verstehen, dass es sich um verschiedene Zugänge handelt, die sich gegenseitig ergänzen und aufeinander aufbauen.

Die erste Ebene von Buddhas Lehren, der Theravada, ist die Grundlage für alle buddhistischen Schulen. Er spricht Menschen an, die ihre eigene Befreiung anstreben und den Wunsch haben, so schnell wie möglich den Kreislauf des Leidens zu verlassen. Für diese Menschen erklärt Buddha vor allem Ursache und Wirkung (Karma), damit sie bewusst nur noch Ursachen für Glück setzen und die Ursachen für Leid vermeiden. Mit dem Verständnis, dass positive Handlungen zu Glück führen und negative zu Schwierigkeiten, kann man die volle Verantwortung für sein eigenes Leben übernehmen.

Durch entsprechende Meditationsmethoden kommt der Geist zur Ruhe und wird stabil. Aufgrund der entstehenden Achtsamkeit folgt man leidbringenden Gewohnheiten nicht mehr. Gleichzeitig wächst die Einsicht, dass die Grundlage aller Schwierigkeiten – das „Ich“ oder „Selbst“ – keine unabhängige Existenz besitzt und man wird frei.

So wird man ein Arhat (sanskr.) oder „Feindbesieger“, der den Zustand der Geistesruhe jenseits vom Leiden verwirklicht hat. Alle geistigen Tendenzen, die ihn im Kreislauf der Wiedergeburten festhalten, sind besiegt.

Die zweite Ebene von Buddhas Lehren, der Große Weg (Mahayana), wendet sich an Altruisten, also Menschen, die Kraft und Überschuss für andere haben. Die Motivation im Großen Weg ist, zum Besten aller Wesen Erleuchtung zu erreichen und auch alle Wesen zu Befreiung und Erleuchtung zu führen. Man braucht hierzu Mitgefühl und Weisheit. Man will den Wesen, die im Kreislauf des Leidens auf Grund von Unwissenheit gefangen sind, helfen, dauerhaftes Glück zu erreichen. Mit Weisheit erkennt man, was die Wesen für ihre Entwicklung brauchen.

Die hierauf ausgerichteten Meditationen beziehen alle Wesen mit ein. So hebt man die Trennung zwischen einem selbst und der Welt „draußen“ auf. Dies wird durch die sogenannten Befreienden Handlungen (sansk.: Paramitas) geübt. Zudem entwickelt man ein Verständnis bzw. Gefühl für die Leerheit der Dinge. Leerheit bedeutet, dass nichts aus sich selbst heraus entsteht, sondern alles zusammengesetzt ist und in Abhängigkeit geschieht, sich ständig ändert und irgendwann wieder auflöst.

Um die durch Meditation erreichte Einsichtsebene festzuhalten, lernt man vor allem Zorn zu vermeiden, Angenehmes als Segen und Schwieriges als Lernprozess zu erfahren. Häufig von Laien verwendet, betont dieser Weg die zugrunde liegende Motivation bzw. Einstellung. Die Methoden zielen darauf ab, die eigenen Fähigkeiten zu vervollkommnen, um allen Wesen in der bestmöglichen Weise nutzen zu können. Das letztendliche Ergebnis dieses Weges ist die Buddhaschaft, in der alle geistigen Eigenschaften zur vollen Reife gebracht sind.

Die dritte Ebene von Buddhas Lehren, der Diamantweg (Vajrayana), spricht vor allem Menschen an, die sich mit dem Ziel der Erleuchtung identifizieren können. Die eigene Entwicklung wird niemals vom Wohlergehen aller Wesen getrennt. Auf dieser Ebene erkennt man, dass Buddha der Spiegel des eigenen Geistes ist und dass jedem Menschen alle erleuchteten Eigenschaften - Furchtlosigkeit, Freude, tatkräftiges Mitgefühl und Weisheit -bereits innewohnen. Dieses Potenzial ist die Buddhanatur. Nichts muss von außen hinzugefügt werden.

Der Aufbau der Meditation ist auf die Identifikation, die Einswerdung mit Erleuchtung ausgerichtet. Als Meditationsaspekte verwendet man Buddhaformen, die bestimmte Eigenschaften der Erleuchtung ausdrücken und entsprechende Qualitäten in unserem Geist wecken. Gleichzeitig arbeitet man mit der Bewusstheit des Geistes, jenseits von Form. Der eigene Geist wird als reich und spielerisch erfahren. Hier ist alles fantastisch, nur weil es geschieht. Das ist die Sicht eines Buddhas, jenseits aller Bedingungen und Beschränkungen.

Als Verwirklicher übt man sich darin, bei jeder Begegnung und in jeder Situation alles auf die möglichst höchste und reinste Ebene zu heben. Dadurch wird es möglich den Reichtum, der in jeder Lebenslage enthalten ist, zu erfahren. Letztendlich fallen durch die Identifikation mit der eigenen Buddhanatur alle geistigen Schleier weg, und man erreicht das Ziel – die Buddhaschaft oder Erleuchtung.

Auf diesem Weg findet man hochverwirklichte Lehrer, die sogenannten „Verwirklicher“ (Yogis), die oftmals mit ungewöhnlichen Methoden beispielhaft lehren und sich von einschränkenden gesellschaftlichen Normen und allgemein üblichen Lebensweisen gelöst haben.

Das Dach des Gebäudes bilden die höchsten und kraftvollsten Lehren, die unmittelbar auf die Natur des Geistes zielen. Sie heißen „Das Große Siegel“ (sanskr. Mahamudra) bzw. „Die Große Vervollkommnung“ (sanskr. Maha Ati). Hier übt man die Einheit von Grundlage (die vollkommene Natur des Geistes), Weg (Meditationspraxis) und Ziel (Befreiung und Erleuchtung) – jenseits von Erwartungen, Hoffnungen, Befürchtungen und begrifflichen Vorstellungen. Man verhält sich wie ein Buddha, bis man ein Buddha geworden ist.