Basistext buddhistische Meditation

Meditation bedeutet im Buddhismus ein müheloses Verweilen in dem, was ist. Dies geht weit über ein reines Kontemplieren hinaus, wie es in anderen Traditionen oft gelehrt wird. Es handelt sich hier um Methoden zur Erkenntnis der Natur des Geistes. Es ist der Weg zu bleibendem Glück. Aber im Buddhismus steht Meditation niemals als Methode für sich allein. Jeder Praktizierende sollte erklärt bekommen und genau wissen, worum es in der einzelnen Meditation geht und weshalb sie entsprechend aufgebaut ist. Zusätzlich bedeutet es, dass Meditation den Alltag des Praktizierenden sinnvoll beeinflussen sollte und somit auch allen anderen zugutekommt.

Meditationen sind sehr verschieden. Ihr Inhalt und ihr Ablauf hängen zunächst ganz von dem direkten Ziel ab, das durch sie erreicht werden soll (z.B. Geistesruhe, Einsicht, Mitgefühl, Weisheit, sinnvolle Tatkraft). Das langfristige Ziel buddhistischer Meditation ist die volle Entfaltung aller innewohnenden Fähigkeiten.

Buddhistische Meditationen sind praktische Übungen, die sowohl Geistesruhe als auch unmittelbares Erkennen des Geistes hervorbringen. Unser Geist ist die Grundlage aller Erfahrungen und dennoch kennen wir ihn nicht wirklich, vergleichbar mit einem Auge, das die äußere Welt sieht, aber sich selbst erst beim Blick in den Spiegel sehen kann. Aus dem Zustand der Ruhe in der Meditation wird es möglich, auf den eigenen Geist zu schauen. Man sieht wie Gedanken und Gefühle in der Offenheit des Geistes entstehen, wie sie dort spielen und wieder vergehen - vergleichbar mit den Wellen im Meer. Während sich Störungen und grundlegende Verwirrungen auflösen, werden befreiende Einsichten im Geist erfahren. Auf dieser Ebene der direkten Einsicht zeigt der Geist sein zeitloses Wesen frei von allen dualistischen Vorstellungen.

Kurze Momente dieser Erfahrung kennen viele Menschen. Die Augenblicke im Leben, in denen Freude von innen heraus erlebt wird und alles Sinn macht, nur weil es geschieht, frei von Erwartungen und Befürchtungen, sind solche Momente der unmittelbaren Einsicht.

Dieser Zustand von Freiheit und Freude wird durch buddhistische Meditation mehr und mehr zur stabilen Erfahrung.

Das Ziel im Buddhismus ist zunächst einmal Befreiung von allem, was zu Leid führt, wie Ängste, störende Gefühlsausbrüche, Unwissenheit usw.. Um dieses zu erreichen, lehrte Buddha als erstes Meditationen, die den Geist beruhigen (tib.: Shine, sanskr.: Shamatha). Durch Konzentration auf die Bewegung des Atems, auf äußere Objekte wie Bilder oder Buddhastatuen oder auf vorgestellte Objekte wie Buddhaformen aus Licht und Energie, entsteht mehr Raum im Geist und die Bewusstheit von eigenen Gedanken und Gefühlen nimmt zu. Die Konzentration auf ein Meditationsobjekt ist ein Hilfsmittel, um den Geist vom gewöhnlichen Umherwandern abzubringen. Sobald eine Ablenkung bemerkt wird, richtet sich die Konzentration wieder auf das Meditationsobjekt, jedoch ohne über seine Besonderheiten nachzudenken. Man bleibt ganz natürlich im Hier und Jetzt. Es geht nicht um das Abschaffen der Gedanken, sondern darum, ihnen keine unnötige Kraft zu geben, damit sich nicht weitere endlos an die ersten hängen. Diese Methode der Geistesruhe und Konzentration ist die Grundlage für alle anderen buddhistischen Meditationen.

Im Weg der Älteren (Theravada) wird das Hauptgewicht auf einen ruhigen und stabilen Geist gelegt, sowie auf die Einsicht in die Selbstlosigkeit der Person. Diese wachsenden Fähigkeiten werden im Alltag durch Achtsamkeitsübungen unterstützt.

Im Großen Weg (Mahayana) richtet sich der Praktizierende auf die Entwicklung von Mitgefühl und Weisheit aus. Das heißt, man überwindet selbstbezogene Einstellungen, um überpersönliche Weisheit zu entwickeln. Außerhalb der Meditation verknüpft man diese Erfahrungen mit einem nutzbringenden Verhalten für andere.

Im Diamantweg (Vajrayana) zielt der Meditierende, beide vorherigen Mittel einschließend, auf die Entwicklung erleuchteter Eigenschaften wie Freude, Furchtlosigkeit, Liebe, Weisheit und Tatkraft, die jedem bereits innewohnen. Der Meditierende identifiziert sich mit den jeweiligen Qualitäten eines Buddha-Aspektes oder erleuchteten Lehrers; er verwendet zudem ein Mantra, das – von Buddha selbst gegeben und in den buddhistischen Tantras niedergeschrieben – erleuchtete Eigenschaften auf Schwingungsebene ausdrückt. Am Ende der Meditation verweilt er schließlich im Einssein mit der Erleuchtung. Diesen Zustand der Reinheit und Vollkommenheit hält man außerhalb der Meditation möglichst ununterbrochen. Hierzu braucht man die Anleitung eines qualifizierten Lehrers.

Sowohl im Großen Weg als auch im Diamantweg werden alle positiven Eindrücke, die aufgebaut wurden, am Ende der Meditation mit allen Wesen geteilt.

Schrittweise löst sich zunächst die Illusion auf, dass es ein solides „Ich“, welches sich ständig verteidigen muss, tatsächlich gibt. Dadurch entsteht Freiheit im Geist. Anschließend erfährt man zunehmend, dass alle Erscheinungen das freie Spiel des Raumes sind. Dieser Erkenntnisprozess, im Austausch mit einem verwirklichten Lehrer und/oder in Meditation, wird Einsicht (tib.: Lhaktong, sanskr.: Vipassana) genannt. Tiefe Einsicht in die Natur des Geistes und der Erscheinungen bewirkt die volle Entfaltung des innewohnenden Potenzials.

Seit Buddhas Zeit wurden diese Meditationen über zweieinhalb Jahrtausende in ungebrochener Überlieferung weitergegeben und angewendet. Ihre Wirkung ist unumstritten, was inzwischen auch wissenschaftlich belegt wurde.

Buddhistische Meditation muss nicht kompliziert sein oder in langen Zurückziehungen stattfinden. Schon kurze Phasen am Tag bringen bald kraftvolle Ergebnisse.