Basistext sechs befreiende Handlungen

Im Mittelpunkt des Großen Weges (sanskr.: Mahayana) steht der Weg des Bodhisattvas.

Grundlegend zeichnet sich dieser Weg durch die Motivation aus, alle Wesen zu Befreiung und Erleuchtung zu führen. Die praktische Umsetzung dieses Weges drückt sich in den „Sechs Befreienden Handlungen“ (sanskr.: Paramitas) aus.

Sie werden Befreiende Handlungen genannt, weil sie aus einer eingeengten, ich-bezogenen Vorstellung herausführen. Man beginnt nach und nach zu verstehen, dass Subjekt, Objekt und Tat Teile einer Ganzheit sind.

Ist man verwurzelt in dem Wunsch zum Besten aller Wesen zu handeln, entwickelt man sich schneller und kann nützlicher sein.

So lassen sich die Befreienden Handlungen immer bewusster und natürlicher im Leben umsetzen.

Was zunächst einer bewussten Anstrengung bedarf, wird mit der Zeit spontan und mühelos.

Die Sechs Befreienden Handlungen sind:

1. Großzügigkeit

2. Sinnvolles Verhalten

3. Geduld

4. Freudvolle Tat

5. Meditation

6. Weisheit

Die ersten vier dieser sechs mitfühlenden Handlungen beschreiben Merkmale jeder erfreulichen menschlichen Beziehung.

In der Meditation wird die Erfahrung aus den ersten vier Handlungen verinnerlicht und der Geist zunehmend stabil, kraft- und freudvoller. Die entstehende Weisheit lenkt unsere Handlungen in die richtige Richtung mit der natürlichen Erkenntnis von der Natur aller Dinge. Quantität wird allmählich zur Qualität.

1. Großzügigkeit ist erstens das Schenken von augenblicklich Notwendigem wie Nahrung, Geld, Erste Hilfe u. Ä.; zweitens gibt man den Wesen, was langfristig hilft: Inspiration, Schutz, Wissen, Ausbildung, gute Erziehung, Zeit usw.; drittens lebt man als Beispiel ein Leben für andere: Man entwickelt sich, damit alle einen Vorteil haben, man lebt also Buddhas Beispiel im Alltag. Freigebigkeit schafft Vertrauen und Offenheit, macht jede Begegnung reich und löst Anhaftung im eigenen Geist.

2. Sinnvolles Verhalten hält den menschlichen Austausch in Gang und ist Grundlage für mehr Wachstum. Es bedeutet, Ursachen für Schwierigkeiten aufzulösen, sich zu entwickeln, sein eigenes Leben sinnvoll zu gestalten und anderen so viel zu nützen wie möglich.

3. Geduld schafft Abstand von Schwierigkeiten und geht in zwei Richtungen: Geduld mit sich und mit anderen. Wer voller Mitgefühl ist und in jeder Lage entspannt bleiben kann, kann durch nichts gestört werden. Da Zorn alle aufgebauten guten Eindrücke im Nu zerstört, nennt Buddha den Zustand der Geduld „das schönste, aber schwierigste Gewand, das man tragen kann.“

4. Freudvolle Tat schließt Ausdauer mit ein und bedeutet, dass man einfach gerne etwas Nützliches tut und so gleichzeitig seine Passivität besiegt. „Für jeden mit Lebenserfahrung sollte die Bedeutung dieser vier Verhaltensweisen einleuchtend sein: Großzügigkeit schafft Verbindungen, durch sinnvolles Verhalten werden sie geschmeidig, mittels Geduld sichert man sie ab und begeistertes Handeln lässt sie wachsen.“ (Lama Ole Nydahl)

5. Meditation schafft Abstand im Geist. So bekommt man im Leben immer öfter die Wahl, an den Komödien teilzunehmen und die Tragödien zu umgehen. Die fünf genannten Taten werden in Buddhas Lehre oft mit Beinen verglichen, die Kraft haben. Die Weisheit, die mit den Augen verglichen wird, bringt sie jedoch dazu, in die richtige Richtung zu gehen.

6. Weisheit bedeutet ein vollständiges Verstehen aller Dinge. Sie überwindet die Vorstellung von dem unabhängigen Selbst einer Person und einer wirklich bestehenden Außenwelt. Man begreift, dass jenseits von Raum und Zeit etwas letztendlich Wahres immer und überall vorhanden ist. Nur der bewusste Geist erfüllt diese Merkmale und kann bei vollkommener Erkenntnis deshalb seine offenen, klaren und unbegrenzten Fähigkeiten zum Besten aller ausdrücken.