Basistext vier edle Wahrheiten

Die „Vier Edlen Wahrheiten“ erklären Grundlage, Weg und Ziel. Sie zeigen auf, warum es Sinn macht, Befreiung und Erleuchtung anzustreben.

Mit seiner Erleuchtung verwirklichte Buddha die Einsicht in die Natur des Geistes.  Erleuchtung ist ein dauerhafter Zustand von unerschütterlicher Furchtlosigkeit, höchster Freude und aktivem Mitgefühl für alle Lebewesen. Sieben Wochen nach seiner Erleuchtung lehrte Buddha als erstes die „Vier Edlen Wahrheiten“.

Buddha sah, wie sich auf relativer Ebene (in der allgemeinen, begrenzten Erfahrung) Glück und Leid im Leben der Wesen abwechseln. Obwohl jeder nach dauerhafter Erfüllung sucht, gelingt es doch keinem, diese zu erlangen. Gleichzeitig sah er aus absoluter (erleuchteter) Sicht, dass alle schon potentielle Buddhas sind. „Sie sind alle Buddhas, doch sie wissen es nicht.“ Aus Unwissenheit erleben die Wesen Leid, obwohl die Natur ihres Geistes zeitlose höchste Freude ist.

In den folgenden Erklärungen spannte er den Bogen von der Darstellung der Begrenztheit allgemeiner Erfahrung  hin zu Befreiung und Erleuchtung. Buddhas Kernaussagen sind:

1. Es gibt Leid

Buddha beschreibt drei Arten von Leid, die je nach Bewusstsein mehr oder weniger stark erlebt werden:

  1. Leid des Leidens: Geburt, Alter, Krankheit und Tod: Identifizieren wir uns mit dem Körper, halten wir auch Geburt, Alter, Krankheit und Tod für wirklich, und dadurch entsteht Leid.
  2. Leid der Vergänglichkeit: Sie ist die Ursache leidvoller Erfahrungen, wenn man an bedingtem Glück anhaftet.
  3. Leid der Bedingtheit: Als subtilste Form des Leidens drückt sie sich u.a. in der Erfahrung aus, dass unser Geist verschleiert ist und wir die Dinge nicht so wahrnehmen, wie sie wirklich sind. Wir haben keinerlei Kontrolle über unser Leben und sind dadurch im Kreislauf der bedingten Existenz gefangen.

Absolut gesehen sind Unerschütterlichkeit, Freude und Liebe der spontane Ausdruck des Geistes, wenn er frei von Begrenzungen ist. Verglichen damit, ist selbst  das größte bedingte Glück begrenzt und von einem Keim des Leids durchdrungen, da Bedingtes sich ständig verändert und damit vergänglich ist.

2. Es gibt eine Ursache des Leids

Als Ursache des Leids nennt Buddha die grundlegende Unwissenheit. Sie ist die Unfähigkeit des nicht erleuchteten Geistes, sich selbst zu erkennen. Denn dieser arbeitet wie ein Auge: Er nimmt alles „draußen“ wahr, ohne sich selbst zu sehen. So ist jede Erfahrung von einem grundlegenden Gefühl der Trennung begleitet (Dualität). Das erlebende Bewusstsein erfährt sich als „Ich“ (Subjekt), das Erlebte wird zum „Du“ oder etwas anderem (Objekt). Obwohl man nur einen Strom von Gedanken, Gefühlen und Eindrücken findet, der sich ständig ändert, wird diese Vorstellung eines Ichs zur Grundlage aller Erfahrung (Ich-Illusion).

Aus dieser zweiheitlichen (dualistischen) Sichtweise entstehen Anhaftung an Angenehmes, Abneigung gegen Unangenehmes und Verwirrung. Aus Anhaftung wiederum entsteht Geiz, aus

Abneigung Eifersucht und aus Dummheit Stolz. Dies sind die so genannten sechs Störgefühle.  Nimmt man sie ernst, führen sie zu leidbringenden Handlungen und zu weiteren Störungen und Leiden für andere und einen selbst. Kommen diese Ursachen als unangenehme Wirkungen auf einen zurück, denkt man meist, es sei die Schuld anderer, und man setzt wieder Negatives in Gang. (> siehe Karma – Ursache & Wirkung)

3. Es gibt ein Ende des Leids

Als Ziel zeigt Buddha Befreiung und Erleuchtung. Bei der Befreiung (kleines Nirwana) wird die Vorstellung von einem wirklich existierenden „Ich“ als trügerisch durchschaut. Widerstreitende Gefühle kommen zur Ruhe, Einsicht und Klarheit und ein Zustand des Freiseins von allen Begrenzungen und Einengungen entstehen.

Erleuchtung (großes Nirwana) ist die volle Erfahrung der Natur des Geistes: Die Schleier der Unwissenheit sind entfernt und alle dem Geist innewohnenden Eigenschaften sind voll entfaltet. Denn seinem absoluten Wesen nach ist das Bewusstsein allwissender furchtloser Raum, seine Erfahrung höchste Freude. Aus jeder seiner Handlungen drückt sich „nicht trennendes Mitgefühl“ aus, liebevoll wie die Sonne, die von sich aus unterscheidungslos auf alles strahlt.

4. Es gibt einen Weg zum Ende des Leids

Dieser Weg besteht in der Anwendung der zeitlos gültigen Mittel, die Buddha gab. Eine entsprechende Sichtweise, Meditation und Verhalten bedingen sich gegenseitig und entfalten alle Eigenschaften von Körper, Rede und Geist.

In den 45 Jahren seines Lehrens gab Buddha 84.000 Lehren, die es seinen Freunden und Schülern erlaubten, je nach Fähigkeit jeden Augenblick des Lebens zu einem Schritt auf dem Weg zu Befreiung und Erleuchtung zu machen.Im Theravada lehrte er über Ursache und Wirkung (Karma), dass wir selbst unser Leben erschaffen. Über das Entwickeln von Achtsamkeit, Konzentration und Einsicht lernen wir, den Körper, die Rede und den Geist Glück bringend für andere und uns selbst zu verwenden (vgl. Der Edle Achtfache Pfad). Im Großen Weg lehrte er die Bedeutung von Mitgefühl und Weisheit als eine befreiende Einstellung und Sichtweise (vgl. Lojong-Geistestraining). Im Diamantweg zeigte er ihnen Meditationen auf Buddhaformen, durch die sie sich mit den nicht bedingten Qualitäten des eigenen Geistes kraftvoll identifizieren konnten.