Basistext Erleuchtung

Erleuchtung ist ein Zustand unerschütterlicher Furchtlosigkeit, vollkommener Freude und grenzenlosen Mitgefühls. Man erlebt sich voll und ganz mit allem verbunden und nimmt den Geist als leuchtend bewussten Raum wahr, der seinem Wesen nach Einsicht, seiner Erfahrung nach höchste Freude und seinem Ausdruck nach tatkräftige Liebe ist.

Gibt es ein dauerhaftes Glück, unabhängig von allen äußeren Umständen?

Aufgrund der Erkenntnis, dass alles, was zusammengesetzt ist, vergänglich ist und sich wieder auflöst, verließ Prinz Siddhartha vor 2500 Jahren seinen königlichen Palast und begab sich auf die Suche nach einem Weg zur Überwindung von Leid. Er wurde Buddha, der „Erwachte“ - erwacht aus dem Traum der Unwissenheit. Der historische Buddha Shakyamuni zeigte, dass dieser Zustand dauerhaft erlebbar ist. Er gab Belehrungen über Grundlage, Weg und Ziel. Seinen Schülern zeigte er Methoden, wie Erleuchtung verwirklicht werden kann. Dieser Erfahrungsweg wird bis heute weitergegeben.

Im Buddhismus werden in Bezug auf Erleuchtung zwei Ebenen der Verwirklichung unterschieden.

Die erste Stufe heißt Befreiung, bei der man die Einsicht entwickelt, dass alles Persönliche wie Körper und innere Zustände sich in ständigen Fluss befinden. Dementsprechend lässt man die Ich-Vorstellung gehen. Ein Zustand inneren Friedens und Klarheit wird erfahren, frei von jeglichen Störgefühlen. Im Theravada-Buddhismus (Fahrzeug der Älteren) werden vor allem Meditationen zur Übung von Achtsamkeit und Einsicht in den Geist verwendet, die auf innere Gelassenheit und Ichlosigkeit zielen.Das bedeutet das Ende des Leidens. Buddha Shakyamuni erklärte dies in den sogenannten Vier Edlen Wahrheiten.

Im Großen Weg (sanskr. Mahayana) und im Diamantweg (sanskr. Vajrayana) gilt die Befreiung als Grundlage für den weiteren Weg bis zur vollen Erleuchtung. Hier geht es um die Entwicklung von Mitgefühl und Weisheit mit der Motivation, allen Wesen nutzen zu können. Weisheit bedeutet, die Leerheit aller Erscheinungen - jenseits dualistischer Vorstellungen - zu erkennen. Durch Meditation löst sich die Trennung zwischen Erleber, Erlebnis und Erlebtem auf, so dass man die Nicht-Getrenntheit aller Erscheinungen erfährt, man erlebt Raum und Freude untrennbar. Im Diamantweg wendet man die Reine Sicht an, d.h. man übt die Welt als freies Spiel des Raumes und die Wesen als potenzielle Buddhas zu sehen.

MITGEFÜHL

Der Erleuchtungsgeist (sanskr.: Bodhicitta) ist der Wunsch, zum Wohle aller Wesen Erleuchtung zu erreichen. Diese Einstellung beruht auf der Einsicht, dass man nicht getrennt ist von anderen Wesen und dass das eigene Glück nicht wichtiger ist als das Glück anderer Wesen. Mitgefühl und die Fähigkeiten, anderen zu helfen, entfalten sich ganz natürlich. Diese Einstellung macht sowohl die Meditationspraxis als auch das Handeln im Alltag sehr kraftvoll. Jede Tat wird zur Handlung eines Bodhisattvas (wörtl. „Held des Erleuchtungsgeistes“) und damit zu einem Schritt auf dem Weg zur Erleuchtung.

WEISHEIT

Weisheit beinhaltet das Verständnis von Ursache und Wirkung, das Wissen um Vergänglichkeit, die Erkenntnis der Relativität von Zuschreibungen und man entwickelt die Einsicht, dass Erleber, Erlebtes und Erleben – Subjekt, Objekt und Tat – nicht voneinander zu trennen oder anders ausgedrückt Teile einer Ganzheit sind. Alle Phänomene sind bedingt und entstehen in Abhängigkeit, sie sind frei von einer unabhängigen Existenz. Dies wird im Buddhismus Leerheit genannt. Alles wird überpersönlich erfahren.

AKTIVITÄT

Durch die Verbindung von tatkräftigem Mitgefühl und überpersönlicher Weisheit erweitert sich der Handlungsspielraum. Weisheit und Mitgefühl sind so natürlich geworden, dass jede Tat spontan und ohne die dualistische Vorstellung „ich tue etwas mit dir oder für dich“ entsteht und zum Wohle anderer Wesen beiträgt. Vereinfacht gesagt, jede Lage wird exakt erfasst, und die erleuchtete Aktivität tut genau das, was am besten passt. Buddhas und verwirklichte Lehrer handeln zum Wohle der Wesen. Je nachdem was gebraucht wird, handeln sie befriedend, bereichernd, faszinierend und/oder kraftvoll schützend. Das sind die vier erleuchteten Tatbereiche.

Siehe auch: Die Buddhanatur