Basistext Verbreitung Buddhismus

Im Laufe der letzten 2500 Jahre breitete sich der Buddhismus von Indien über die verschiedenen asiatischen Länder aus. Im Ursprungsland Indien verschwand er jedoch wegen islamischer Eroberungen im 11. und 12. Jahrhundert. Versuche, den Buddhismus im 19. Jahrhundert, meistens den Theravada, in Mitteleuropa und in den USA einer größeren Menge an Interessierten zugänglich zu machen, scheiterten weitgehend wegen der damaligen Lebensumstände und dem Mangel an authentischer Übertragung. In Tibet wurden 99,9% der buddhistischen Infrastruktur Mitte des 20. Jahrhunderts aufgrund chinesischer Invasion zerstört. Seit den 1970er Jahren findet der Buddhismus besonders in den westlichen Ländern vermehrt großen Anklang.

Vom historischen Buddha Shakyamuni, der etwa 600 v. Chr. lebte, existieren keine unmittelbaren schriftlichen Quellen. Seine Schüler behielten die Lehren im Gedächtnis und schrieben sie nach seinem Tod nieder. Die buddhistische Geschichtsschreibung stützt sich deswegen sowohl auf Texte als auch auf mündliche Übertragungen.

Nach seiner Erleuchtung zog der Buddha 45 Jahre lang lehrend durch Nordindien. In den ersten Jahren lehrte er vor allem die Grundlagen des Weges der Älteren (Theravada), der die Befreiung von persönlichem Leid zum Ziel hat. Darauf baut die Lehre des Großen Weges (Mahayana) auf, in dessen Mittelpunkt Mitgefühl und Weisheit stehen. Schließlich lehrte Buddha auch den Diamantweg (Vajrayana), der direkt auf das Erkennen der Buddhanatur, also aller dem Geist innewohnenden Qualitäten, abzielt.

Der Weg der Älteren verbreitete sich in den folgenden Jahrhunderten in Indien und später bis weit über die Landesgrenzen hinaus. Im 1. Jh. n. Chr. wurden die Lehrreden des Großen Weges vermehrt in Nordindien bekannt, wo sie ab dem 5. Jahrhundert ihre geistige Blütezeit erfuhren. Nachdem sie in Indien nur von Lehrer zu Schüler weitergegeben worden war, wurde etwa ab dem 8. Jahrhundert die buddhistische Lehre erstmals in Form des Diamantweges in Tibet bekannt.

Im 11. und 12. Jh. n. Chr. festigte sich der Buddhismus in den südostasiatischen Ländern als Weg der Älteren (Theravada, auch „südlicher Buddhismus“). In den nördlich und östlich von Indien gelegenen Gebieten verbreitete sich der Große Weg und der Diamantweg (auch „nördlicher Buddhismus“).

Der Buddhismus ging in seinem Ursprungsland in dieser Zeit verloren. Im elften Jahrhundert begannen Turkvölker (die Ghuriden), Indien von Nordwesten aus unter ihre Gewalt zu bringen. Dadurch verschwand der Buddhismus in Kaschmir bis zum 13. Jahrhundert. Lehrer und Praktizierende flohen nach Osten in die zentralindischen Ebenen oder über die Berge nach Tibet. Gut einhundert Jahre später herrschten die Eroberer schließlich über weite Teile Nordindiens. In der Endphase des indischen Buddhismus setzten die Linienhalter alles daran, die Lehre vollständig in jene Länder zu übertragen, die sich ihr geöffnet hatten. In allen Ländern, die den Buddhismus aufnahmen, prägte dieser die Kultur für Jahrhunderte, wenn nicht für ein ganzes Jahrtausend, bis in unsere Zeit hinein (eine Ausnahme davon bildet Indonesien, das im 14./15. Jh. muslimisch wurde. Hier hielt sich der Buddhismus insgesamt 900 Jahre lang). So vereint der Buddhismus heute ein außerordentlich reichhaltiges Geistesleben aus zweieinhalb Jahrtausenden mit sehr unterschiedlichen kulturellen Hintergründen.

Der Buddhismus erstarkte dort, wo die Menschen dafür offen waren. Nach Buddhas Tod verbreiteten seine Schüler die Lehre weiter. Die indische Klosteruniversität von Nalanda wurde für ein ganzes Jahrtausend zum geistigen Zentrum der neuen Bewegung. Reisende Kaufleute brachten den Buddhismus in andere Länder, die daraufhin Gelehrte aus Indien einluden. Manchmal unterstützten Könige aus unterschiedlichen Regionen die neue Lehre, wie z.B. Ashoka in Indien (304 – 232 v. Chr.), Songtsen Gampo (604 – 650) und Trisong Detsen (742 – 796) in Tibet oder auch der chinesische Kaiser Yung-lo (1360 – 1424). Ein weiterer wichtiger Faktor für die geografische Ausdehnung des Buddhismus über Indien hinaus war die Kodifizierung von buddhistischen Texten. So konnten sie die Grundlage für das Studium der buddhistischen Philosophie bilden und weite Verbreitung finden. Später verlief das Entstehen des Buddhismus in anderen Regionen der Welt sehr unterschiedlich: Im 16./17. Jahrhundert brachten mongolische Stämme die Lehren des Großen Weges und Diamantweges in das heutige mongolische und russische Staatsgebiet. In den USA dagegen waren es vor allem eingewanderte Koreaner und Chinesen, letztere gründeten das erste buddhistische Zentrum in San Francisco Mitte des 19. Jahrhunderts.

Zur gleichen Zeit entstanden im deutschsprachigen Raum im gehobenen Bürgertum und in künstlerischen Kreisen die ersten zarten Annäherungen an den Buddhismus. Arthur Schopenhauer (1788 – 1860; „Die Welt ist im Bewustseyn vorhanden“) sprach vom „Buddhaismus“, Friedrich Nietzsche (1844 – 1900), Richard Wagner (1813 – 1873), Rainer Maria Rilke (1875 – 1926), C.G. Jung (1875 – 1961) und Hermann Hesse (1877 – 1962) zeigten eine starke Neigung zum Buddhismus.

Die Hippiezeit, die Suche nach neuen Bewusstseinsebenen mittels Drogen, Proteste gegen den Vietnamkrieg, Friedensdemonstrationen zur Zeit des Kalten Krieges, die Musik mit all ihren extremen Ausprägungen (z.B. das Festival in Woodstock), die Studenten- und  Bürgerrechtsbewegungen, die Politisierung des Alltaglebens, das Ausprobieren neuer Lebensformen, die in Westeuropa und Nordamerika einen Bruch mit den verkrusteten alten Traditionen und den Drang nach individueller Freiheit ausdrückten, zeugten vom veränderten Bewusstsein der jungen Generation in den 1960er Jahren. Ein Teil dieser Freiheitsbewegung entstand speziell aus dem Wunsch nach geistiger Entwicklung.

Auch Forschung und Wissenschaft öffneten sich neuen Wegen und Denkweisen. So sind z.B. neu entstandene Zweige der Wissenschaft die Weisheitsforschung, die Resilienzforschung und die Glücksforschung.

Ein Zweig der humanistischen Psychologie z.B., der den Fokus auf das Potenzial von menschlicher Entwicklung legt und von einer freien, nicht moralisierenden und von Mitgefühl getragenen Einstellung geprägt ist, ist der buddhistischen Sichtweise von innewohnenden Qualitäten ähnlich. Allerdings beschreibt die Psychologie im Allgemeinen die Zustände im Geist, während der Buddhismus letztendlich auf die volle Erkenntnis der Natur des Geistes abzielt.

Die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Quantenphysik über verschränkte Teilchen und ihr Verhalten im Raum („Raum ist Information“) lassen sich zu den Aussagen des historischen Buddha über „Form ist Leerheit, Leerheit ist Form“ etc. in Beziehung setzen. Dies könnte die Öffnung buddhistischen Sichtweisen gegenüber erleichtert haben. Im Allgemeinen geht es allerdings in der Wissenschaft eher um Wissen, während es im Buddhismus um Erfahrung geht.

Buddhistische Lehrinhalte wurden in vielen Bereichen der Gesellschaft allgemein zugänglich und werden auch gerne gelesen. Sie inspirieren - oft auch gar nicht explizit als „buddhistisch“ deklariert (z.B. die Entwicklung von mehr Achtsamkeit) – und können die Lebenseinstellung der Menschen in Richtung auf bleibendes Glück verändern.

Seit Ende des 20. Jahrhunderts hat sich die buddhistische Lehre in vielen westlich geprägten Ländern verbreitet. Es gibt viele Gemeinschaften unterschiedlicher buddhistischer Richtungen, die Buddhas Weg im Alltag leben und seine Lehre beispielgebend fortsetzen.