Die Buddhanatur

Die Buddhanatur ist das höchste Potenzial, das allen innewohnt. Ist es voll entfaltet, wird dies Erleuchtung genannt. Das Ziel der Lehre Buddhas liegt darin, unseren perfekten Geist, also unsere Buddhanatur, zu erkennen. Besonders wichtig dabei ist im Diamantweg-Buddhismus die Reine Sicht auf die Welt.Buddha gab die Belehrungen zur Buddhanatur erst gegen Ende seines Lebens, als einige seiner Schüler reif dafür waren, sie zu verstehen und umzusetzen.

Das, was wir wirklich sind, ist unsere Buddhanatur, das Potenzial vollkommener Freude. Sie ist die allem zugrunde liegende Wirklichkeit, das „Herz vollkommenen Erwachens”. Sie ist unsere natürliche Ausstattung, die allen Lebewesen, also auch Tieren, innewohnt. Dieses Potenzial ist unbegrenzt von Raum und Zeit.

Warum erlebt man dieses Potenzial nicht, sondern bedingte Zustände wie Geburt, Krankheit, Alter und Tod, die immer wieder Leiden verursachen? Man kann sich die Buddhanatur wie die Sonne vorstellen, die auch an trüben Tagen ihre volle Strahlkraft hat, aber durch Wolken verschleiert ist. Die Wolken verhindern den Zugang zu ihrer Wärme und ihrem Licht. Genauso erlebt man nicht die offene Unbegrenztheit unseres Geistes, sondern hat eine eingegrenzte, „bewölkte” Sichtweise. Die Schleier, die die Buddhanatur verhüllen, beruhen auf grundlegender Unwissenheit: Der Geist hat seit „anfangsloser Zeit” eine doppelte Natur. Er hat die Klarheit, nach außen alles zu erkennen und zu wissen, ist aber nicht fähig, sich selbst zu sehen. Der Raum des Geistes – das was sieht – sagt „Ich“, und das Gesehene – die Welt draußen – wird als „Du“ oder „Anderes“ aufgefasst.

Mit dieser Zweiheit bzw. Dualität beginnen alle Probleme. Diese zeigen sich als die drei emotionalen Reaktionsmuster des Anhaftens, des Ablehnens und der Gleichgültigkeit oder – anders ausgedrückt – als Begierde, Hass und Dummheit. Diese trüben die Wahrnehmung und beeinflussen dadurch alle Handlungen, die man mit Körper, Rede und Geist ausführt, und würden so zur Ursache für das Ansammeln von Karma (Eindrücken im Geist). Aus den karmischen Tendenzen wiederum entsteht das gesamte Erleben. 

Würde man sich nicht mit dieser eingeschränkten Funktion, sondern mit der Buddhanatur identifizieren, hätten alle leidvollen Zustände ein Ende. Um dahin zu kommen, wendet man Buddhas Methoden an. Besonders wichtig ist im Diamantweg-Buddhismus die Reine Sicht. Jeder ist ein Buddha, man hat dies nur noch nicht erkannt.

Unterstützend auf diesem Weg ist ein qualifizierter Lehrer als Beispiel und Inspiration. Er gibt den Zugang zu den Meditationen, in denen es vor allem darum geht, sich mit Buddha-Aspekten, die perfekt die Natur des Geistes ausdrücken, mitsamt ihren Eigenschaften zu identifizieren. So wandelt man die eingeschränkte Ebene des Ich-Erlebens immer mehr in das Erleben der Buddhanatur um.

Weil man diesen Samen bereits in sich hat, ist es möglich, dass die Entwicklung in einem selbst mithilfe der eigenen Meditation Erfolg hat. Man braucht außerdem die Wärme des Vertrauens und den Segen des Lehrers, damit der Same richtig wachsen kann. Auf diese Weise befreit man sich von Hoffnung und Furcht und erlebt stattdessen unbedingte Freude, Liebe, Mitgefühl und Furchtlosigkeit.

Das Ziel der Lehre Buddhas liegt darin, die eigene Buddhanatur zu erkennen, diesen noch unentdeckten Schatz zu heben, seinen Reichtum zu genießen und ihn mit allen anderen zu teilen.