Basistext Tod und Wiedergeburt

Aus buddhistischer Sicht ist jeder Zeitabschnitt ein Übergang, ob Geburt, Leben, Sterben oder Tod. Jeder Mensch hat einen Körper, der aus Bedingungen zusammengesetzt ist und daher auch sterben muss; der Geist, der alles wahrnimmt, erfährt und dem alle Qualitäten innewohnen, ist wie der Raum und seinem Wesen nach unzerstörbar, jenseits von Zeit und unbegrenzt. Solange der Geist mit dem Körper verbunden ist, lebt man. Trennt sich der Geist vollständig vom Körper, ist man tot. Er verbindet sich nach etwa sieben Wochen mit einem gerade entstehenden neuen Körper. Versteht man grundlegend, dass der Geist nicht sterben kann, weil er kein Ding ist, verliert man die Angst vor dem Tod.

Buddha erklärte in den Lehren über Ursache und Wirkung, dass alle Lebewesen aufgrund ihrer Gedanken, Worte und Taten entsprechende Erfahrungen im Kreislauf der Wiedergeburten machen, diese aber auch ändern können, indem sie entsprechende neue Ursachen setzen.

Das Bewusstsein (im Buddhismus übergeordnet als „Geist“ bezeichnet) verbindet sich von Leben zu Leben mit einem neuen Körper, je nach den in den vorherigen Leben gesammelten Eindrücken. Versteht man die Bedeutung von Ursache und Wirkung, wird man bewusst sinnvoll handeln und möglichst negative Eindrücke vermeiden. Belastende Eindrücke, die man nicht bereinigt hat, und Dinge, die man immer tun wollte und nicht getan hat, erschweren den Sterbeprozess. So ist ein wesentlicher Bestandteil von Buddhas Lehre, das Leben sinnvoll zu nutzen, da man ständig die Samen für die Zukunft, also auch für zukünftige Leben setzt.

Zum Sterbeprozess gab Buddha genaue Beschreibungen:

Wenn ein Mensch im Sterben liegt, laufen bestimmte Prozesse ab, die man beobachten kann, die inneren Prozesse erlebt der Sterbende nur selbst. Man verliert zunehmend die Kontrolle über das Feste im Körper, über die Körperflüssigkeiten, über die Wärme und Atmung. Gleichzeitig werden die Sinne schwächer und der Geist verwirrter und man begegnet oftmals seinen Ängsten, allgemein kann gesagt werden, dass man stirbt, wie man gelebt hat. Wird in der Medizin der klinische Tod festgestellt – das Ende des Lebens - bedeutet das buddhistisch gesehen noch nicht den Tod. Es dauert etwa noch eine weitere halbe Stunde, bis sich alle inneren Energien ineinander aufgelöst haben und das Bewusstsein schließlich den Körper verlässt.

In dieser halben Stunde nach dem klinischen Tod ist es ratsam, den Körper des sterbenden Menschen in Ruhe zu lassen, so dass diese letzten Energie-Prozesse ungestört ablaufen können. Zu diesem Zeitpunkt sind die Angehörigen oder Freunde durch ruhiges Mitgefühl, bewusste Anwesenheit und Vertrauen eine große Hilfe.

In den sogenannten Bardo-Lehren, wie sie z.B. im „Totenbuch der Tibeter“ festgehalten sind, gibt es detaillierte Beschreibungen, welche Prozesse nach dem Tod im Geist ablaufen. Unterschiedliche Phasen werfen den ungeübten Geist unkontrolliert 49 Tage lang hin und her.

Es gibt nach buddhistischer Terminologie sechs Bewusstseinsbereiche, in denen man wiedergeboren werden kann. Die sechs Daseinsbereiche werden als Samsara (sanskr.: „Kommen und Gehen“, tib: khorwa: „das Rad“) bezeichnet. Sie sind nicht von etwas Äußerem oder einer höheren Macht geschaffen, sondern das Ergebnis von früheren Einstellungen, Handlungen und dem daraus resultierenden Erleben. Das Spektrum umfasst alle geistigen Zustände: von extrem leidvoll bis sehr freudvoll. Alle Daseinsbereiche sind jedoch der Vergänglichkeit unterworfen und bieten daher kein bleibendes Glück. Nur Befreiung vom Kreislauf bedeutet letztendliches Glück. Dies ist mit dem Sanskrit-Begriff „nirvana“ gemeint.

Wird man als Mensch wiedergeboren, wird das Bewusstsein zu den künftigen Eltern hingezogen. Es verbindet sich mit Samen und Ei der Eltern und ein neues Leben entsteht. Ein neuer Körper formt sich. Hier zeigen sich die Wirkungen auf die früher gesetzten Ursachen: Die Tendenzen im Geist geben eine entsprechende Umgebung und Kultur, einen Körper - stark und gesund oder anfällig und schwach - und entsprechende geistige und gefühlsmäßige Einstellungen vor.

Manche Menschen - insbesondere in der frühen Kindheit - können sich an frühere Leben erinnern. Besondere Fähigkeiten von sogenannten „Wunderkindern“ lassen darauf schließen, dass sie schon in früheren Leben ihre besonderen Talente angelegt haben. Aber auch unsere eigenen, deutlich vorhandenen, besonderen Begabungen, zu deren Entfaltung wir in diesem Leben nicht die Gelegenheit hatten, lassen auf frühere Leben zurückschließen.

Es gibt Meditationsmeister, welche sich aufgrund ihrer Bodhisattva-Einstellung bewusst wiedergebären lassen, wie etwa die Karmapas, Shamarpas oder Dalai Lamas. Sie sind hoch verwirklicht oder sogar voll erleuchtet und vom Kreislauf der Wiedergeburten frei, doch sie kommen aus Mitgefühl zum Nutzen der Lebewesen in einem Menschenkörper wieder.

In manchen buddhistischen Schulen gibt es Meditationen, die darauf ausgerichtet sind, das Bewusstsein nach dem Tod in einen leidfreien Zustand zu versetzen, in ein sogenanntes „Reines Land“. Dies ist das Kraftfeld eines Buddha, das er auf der Grundlage seiner starken Wünsche zum Wohl der Lebewesen manifestiert. Das Reine Land des Buddha des Grenzenlosen Lichtes (tibetisch „Dewachen“, was „Land der Höchsten Freude“ bedeutet) ist eins dieser perfekten Bereiche.

Siehe auch: Das Rad des Lebens